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Mit Vedic Chanting ins Hier und Jetzt

Hilde Peer ist Dozentin für Yoga an der Universität Salzburg und Ausbildnerin im ‚Yogazentrum Alpen‘. Auf Vermittlung von Yoga Austria war sie 2017 in Zinal als Referentin geladen.

Alexandra Eichenauer-Knoll hatte mit ihr dmals im Vorfeld eine Stunde lang geskypt und sie näher zu ihren Angeboten befragt.



Liebe Hilde, du bist heuer als BYO-Referentin beim Internationalen Yogakongress in Zinal eingeladen. Du wirst täglich einen Vormittagsworkshop zum Thema Vedic Chanting an und Praxis am Nachmittag mit dem Titel „Tönend Eins-Sein“ anbieten. In beiden Kursen geht es also um Yoga und singen im weitesten Sinn. Worin liegt der Unterschied zwischen diesen Angeboten?

Hilde Peer: Das Zinal Thema lautet heuer: Atha – Yoga ist Jetzt. Ich habe mich gefragt: Welche Praxis bringt mich ins Hier und Jetzt? Für mich ist das Chanten eine gute Möglichkeit. Am Vormittag wird ein Mantra vorgestellt, eingelernt und dann gechanted, jeden Tag ein anderes, z. B. zum Thema Gesundheit oder Vertrauen. In der Nachmittagsstunde wird eine kurze Zeile aus dem Vormittagsworkshop herausgenommen und mit einfacher Asana-Praxis und Vinyasa zusammen geübt. Es gibt dabei viele Möglichkeiten, z. B. es  laut mit dem Ausatmen zu rezitieren oder mental mit einem Pranayama zu wiederholen, oder es als Ausrichtung für die Meditation einzusetzen. Ich werde für jeden Tag ein anderes Mantra vorbereiten, weil ich damit rechne, dass es eine gewisse Fluktuation geben wird. Ich war letztes Jahr in Zinal und habe das so erlebt.

Ist es nicht sehr fordernd, Asana und Chanten zu verbinden?

Hilde Peer: Ja richtig. Daher werden wir in der Nachmittags-Praxis einfache Passagen wiederholen, die Symbolkraft besitzen, z. B. in Kombination mit dem Wort suryaya, die Sonne. Ich werde auch viel mit Keimsilben spielen, sie sind einfacher. Und auch die Asanas oder das Vinyasa soll einfach sein und möglichst vertraut.

Du hast ursprünglich Sportwissenschaften studiert, dann Yoga in der Tradition TKV Desikachar und Yogatherapie bei Dalmann/Soder. Das Vedic Chanten hast du bei einer Schülerin von Desikachar gelernt, bei Radha Sundararajan.

Hilde Peer: Ja, diese Ausbildung hat zwei Jahre gedauert und war auf Wochenmodule aufgeteilt. Mein großes Glück war, dass Friederike Sugimoto, eine Schülerin von Radha Sundararajan, die Ausbildung bei ihr in Piesendorf auf dem Notburgahof organisiert und somit Radha nach Europa geholt hat. Wir waren eine sehr internationale Gruppe und es war eine sehr schöne gemeinschaftliche Erfahrung.

Was unterscheidet das Vedic Chanten von Kirtan und Bhajan?

Hilde Peer: Kirtan und Bhajan zielen auf Hingabe ab. Beides kann man entsprechend seiner musikalischen Befähigung ausführen und auch seine eigene Persönlichkeit einbringen. Da gibt es keine festgesetzte Form. Vedisches Chanten hingegen ist sehr streng und präzise. Es gibt sechs bestimmte Regeln: varna – Aussprache; svara – Tonhöhe, matra – Länge des Vokals; balam – eingesetzte Kraft in der Aussprache; sama – Verbindung der Wörter/Musikalität; santana – Pausensetzung. Der Lernende muss sehr gut zuhören können. Es gibt Vokale, die kurz oder lang getönt werden. Töne selbst gibt es nicht viele: ein Grundton, ein Ton höher, einer niedriger und ein verzögerter Grundton nach oben, aber trotzdem braucht es viel Aufmerksamkeit beim Hören.

Du hast erzählt, du skypst wöchentlich mit deiner Lehrerin Radha Sundararajan in Chennai.
 


Hilde Peer: Ja, sie chantet mir vor und ich wiederhole und es dauert solange, bis ich wirklich alles richtig gehört habe: Wo sind die Pausen, welche Betonung ist stärker? Es erfordert enorme Wachheit beim Zuhören. Es gibt Mantren, die sind seitenlang und manchmal brauche ich ein halbes Jahr, um ein Mantra fehlerfrei chanten zu können. Es ist sehr fordernd. Wenn ich ein schwieriges Mantra längere Zeit nicht chante, kommt es bei kniffeligen Passagen vor, dass ich wieder Korrektur brauche. Ganz wichtig beim Vedischen Chanten ist auch die Klangfarbe, ob der Ton z.B. eher mit den Lippen oder aus der Kehle geformt, mit einem starken Ausatem oder sanft betont wird. Du hörst zu und hörst zu bis du es hast. Adhyayanam, so nennt sich die Didaktik des Chantens – vorchanten, zuhören, wiederholen. Bei aller Herausforderung ist es aber eine wunderbare Erfahrung und gibt mir viel Freude, auch in meiner täglichen Praxis.

Yoga für die Ohren also?



Hilde Peer: Es hat natürlich ganz viel mit Yoga zu tun. Die Besonderheiten in der Aussprache des Sanskrit, die spezifische Lauterzeugung, wirkt sehr stimulierend auf den Körper. Durch das Rezitieren verändert sich der Atem, er wird ruhiger und länger. Und vor allem hilft es mir, meinen Geist auszurichten und zwar auf erhöhende Inhalte wie Wertschätzung den Elementen der Natur gegenüber, Freude, Stärkung der Gesundheit.

Was beinhalten die vedischen Texte?

Hilde Peer: Ich finde es faszinierend, dass alle Themen vorkommen, die wir für eine spirituelle Praxis brauchen, z. B. das Vertrauen, die Gesundheit, die Bedeutung von Sonne und Mond, die Kräuter, das Wasser… Die vedischen Texte sind die ältesten Text der Welt. Von der UNESCO wurden sie in die Sammlung der Meisterwerke des mündlichen und immateriellen Weltkulturerbes der Menschheit aufgenommen.

Hilde Peer, Vedic Chanting, Zinal