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Studie: Yoga und Essstörungen

Die Innsbrucker Psychologiestudentin Simone Kinigadner schrieb 2016 ihre Masterarbeit zum Thema „Auswirkungen von Yogaübungen auf Anorexie und Bulimie“. Dabei sollte der Einfluss von Yoga auf Frauen mit Essstörungen untersucht werden. Da die teilnehmenden Frauen in ganz Deutschland und Österreich verteilt lebten, sollten die Übungen per wöchentliche Videoeinheiten übermittelt werden. Ein kleines Yogalehrerinnen-Team des Yogazentrums Innsbruck unterstützte die praktische Durchführung der Studie. Es berichtet Eva Kuen, Yogazentrum Innsbruck

 

Untersuchungszeitraum: Sechs Wochen mit jeweils 30 Minuten Videosequenzen, die wöchentlich an die Teilnehmerinnen verschickt wurden.

Das Video: Zwei Yogalehrerinnen wurden beim Üben gefilmt, eine Yogalehrerin gab die nötigen Ansagen dazu. Es war dabei wichtig, dass eine der beiden übenden Yogalehrerinnen die Übungen mit Hilfsmitteln bzw. in einer leichteren Variante durchführte. So konnte kein Bild einer „perfekt durchgeführten“ Übung entstehen.

Das Üben: Im Vorlauf wurde ein Mail mit Hinweisen zum Üben (Zeit, Ort, Hilfsmittel, etc.) und einer kurzen theoretischen Einführung in die Qualität des Yogaübens (achtsame Wahrnehmung, Ehrgeiz etc.) verschickt. Die Teilnehmerinnen übten dann nach den Videos und gaben wöchentlich Rückmeldungen über die Erfahrungen, die sie gemacht hatten. Anhand dieser Rückmeldungen konnten die folgenden Einheiten abgestimmt werden. Ebenso konnten individuelle Fragen und Schwierigkeiten per Mail von den Yogalehrerinnen beantwortet werden.

Der Inhalt der Videosequenzen teilte sich in drei große Bereiche:

1. Theoretischer Teil
Hier wurden Themen angesprochen wie: achtsame Wahrnehmung – Dinge annehmen wie sie sind – Yoga in den Alltag bringen – Bodenkontakt im Üben und im Alltag fördern

2. Körperübungen
Folgende Herausforderungen mussten berücksichtigt werden:
1. eventuelle muskuläre Schwäche
> die Übungssequenzen im Stehen wurden zeitlich angepasst und als Hilfsmittel ein Stuhl angeboten
> dynamisches Üben stand im Vordergrund
2. geringer Bezug zum eigenen Körper
> über Berührung (streichen, klopfen, reiben…) wurden physische Impulse gesetzt
> konkrete Ansagen zur Verbesserung der Wahrnehmung
3. eventueller übermäßiger Ehrgeiz
> in den Sequenzen zeigten die zwei Yogalehrerinnen unterschiedliche Varianten des Übens (mit und ohne Hilfsmittel)
4. eventuell geringe Konzentrationsfähigkeit
> klare kurze Ansagen
> Zählen als Hilfsmittel einsetzen
5. kein direkter persönlicher Kontakt während der Ansagen
> hilfreich waren hierbei die wöchentlichen Rückmeldungen der Teilnehmerinnen

3. Entspannungs- und Atemübungen
Herausforderung: eventuelle vorliegende Traumata
> wiederholter Hinweis, eine Übung oder die Sequenz jederzeit abbrechen zu können
> vermeiden von zu langen Phasen von Ruhe oder Stille
> kurze Entspannungseinheiten hauptsächlich auf den Körper bezogen
> in der Entspannungslage die schützende Funktion des Zudeckens nützen
> Arbeit mit dem Atem vor allem in der Übung/Ansage „Hände auf die Bauchdecke und die Atembewegung spüren“

 

Zusammenfassende Darstellung der Ergebnisse der Studie

„Auswirkungen von Yogaübungen auf Anorexie und Bulimie – Ein Vergleich zwischen einer Essstörungsgruppe und einer Kontrollgruppe ohne Essstörung“, von Simone Kinigadner, MSc

Das Ziel dieser Studie war es, die Auswirkungen eines sechswöchigen Yogaprogramms auf eine Essstörungsgruppe mit Diagnosen der Anorexia Nervosa, Bulimia Nervosa und einer Kontrollgruppe ohne Essstörungsdiagnose zu prüfen, wobei Effekte auf den Selbstwert, das allgemeine und körperliche Wohlbefinden, das Körperbild und das Störungsbild der Essstörung überprüft wurden.
Essgestörte weisen häufig eine Spaltung von Geist und Körper auf. Dies zeigt sich beispielsweise im Verlust der Wahrnehmung der eigenen Körpersignale, aufgrund der starken kognitiven Kontrolle des Essverhaltens oder in Essattacken, welche zur Regulation emotionaler Erregung und zum Stressabbau genutzt werden. Für diese Patientengruppe ist Yoga deshalb interessant, weil Yoga dabei helfen kann, eine Verbindung zwischen dem Körper und der inneren Wahrnehmung herzustellen. So kann die Selbst- und Körperwahrnehmung geschult, der Selbstwert gesteigert und das gestörte Körperbild positiv beeinflusst werden. Vor allem die Erdung, bewusstes Atmen und Nachspüren waren in der vorliegenden Studie von zentraler Bedeutung, um die Aufmerksamkeit auf den eigenen Körper zu lenken. Die Essgestörten sollten lernen, die eigenen Empfindungen wahrzunehmen und achtsam ihren Körper zu spüren.

Die Ergebnisse zeigen, dass sich der Selbstwert, das allgemeine und körperliche Wohlbefinden und das Körperbild der Essstörungsgruppe im Verlauf der sechs Wochen signifikant steigern ließen. Ebenso konnte die Kontrollgruppe ohne Essstörung Steigerungen erreichen. Es ließen sich auch Verbesserungen im Störungsbild der Essstörungsgruppe im Vergleich von Zeitpunkt 1 und Zeitpunkt 2 finden. Dabei traten signifikante Verbesserungen im globalen Störungsbild und den Skalen Schlankheitsstreben, Bulimie, Unzufriedenheit mit dem Körper, Ineffektivität, Misstrauen, interozeptive Wahrnehmung und Angst vor dem Erwachsenwerden auf. In der Untersuchung zeigten somit beide Gruppen im Verlauf der sechswöchigen Yogaintervention Verbesserungen, wobei diese Verbesserungen in der Patientengruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe ohne Essstörung stärker ausfielen. Diese Effekte zeigten sich auch im Störungsbild der Esssstörung. So zeigte die Essstörungsgruppe auch hier einen stärkeren Rückgang im globalen Störungsbild, Schlankheitsstreben, der Bulimie, der Ineffektivität und der interozeptiven Wahrnehmung im Vergleich zur Kontrollgruppe, welche bereits zum ersten Untersuchungszeitpunkt niedrigere Werte aufwies.

Die Ergebnisse bestätigen den positiven Effekt von Yogaübungen auf Essstörungen. Diese Ergebnisse können dazu beitragen, Yoga als unterstützende Therapie bei der Behandlung von Essstörungen einzusetzen und dadurch eine umfassendere Behandlung zu ermöglichen.

Simone Kinigadner, Rückfragen: csam8610@gmail.com

 

Anorexie, Bulemie, Studie, Yoga