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Hridaya, das spirituelle Herz

Dagmar Shorny vertritt heuer beim 50. Europäischen Yogakongress in Zinal unseren Verband. Im Gespräch mit Alexandra Eichenauer-Knoll spricht sie über das Kongressthema Hridaya und ihren persönlichen Zugang dazu.

Liebe Dagmar, du bist Referentin von Yoga Austria – BYO in Zinal.
Dagmar Shorny: Ja das ist eine Ehre für mich.

Das Thema ist Hridaya, das spirituelle Herz. Wie würdest du den Begriff erklären?
Das Sanskritwort ist hṛdaya oder hṛd, da ist also ein ṛ, ein r mit einem Punkt drunter und das wird mit hri wiedergegeben, so wie in ṛṣi, da schreibt man Rishi, der Seher.
Das ṛ mit Punkt drunter wird klingend mit der Zunge nach hinten am Gaumen ausgesprochen, sodass es sich bisschen wir hri anhört. Wenn man das mit hṛd auszusprechen versucht, ist man schnell bei heart oder Herz. Alle diese Wörter haben die gleiche sprachliche Wurzel. Hṛd und hṛdaya werden schon im ṛg veda sehr oft erwähnt.
In den Upaniṣaden gilt das Herz, hṛdaya, als der Ort im subtilen Körper, an dem der Atman zu Hause ist, unverletzbar und ewig. Außerdem ist das Herz in den Upaniṣaden eine Art Wahrnehmungsorgan des Bewusstseins. Mit dem Herzen kann man Dinge sehen und wahrnehmen, die mit dem Auge nicht wahrgenommen werden können.

Was bereitest du gerade vor?
Ich habe meinen Beitrag so genannt: Die Poesie der Texte spüren. Darauf bin ich gekommen, weil es wunderschöne Textstellen in den Upaniṣaden und im shivaitischen Tantra gibt, die rund um hṛdaya kreisen. In der Chandogya Upaniṣad heißt es, das Wort der Upanisad soll ins Herz treffen wie ein Pfeil. Ich frage mich, wie uns Worte so tief berühren können.
Ich suche also solche Textstellen und ihren Kontext und ich hoffe, dass daraus ein schöner Workshop wird. Die Texte, an die ich denke sind eben Stellen aus den Upaniṣaden, dann Vijnana Bhairava Tantra, Pratyabhijnahṛdayam und wahrscheinlich noch andere. Die Art der Vermittlung, welche Praktiken und welche Methoden, da bin ich noch dran. Wahrscheinlich kann ich dazu im Nachhinein mehr sagen.

Herzensbildung klingt nach eine Langzeitprojekt, nach viel persönlicher Entwicklung, nach Freude und nach Schmerz. Sieht das die Yoga-Philosophie nüchterner?
Muller-Ortega betont, dass wir es in der indischen spirituellen Tradition mit einem anderen mind-body Konzept zu tun haben, als wir es gewohnt sind. Es gehe nicht so sehr um romantische Liebe, Eros, das Herz Jesu oder Emotionen überhaupt.
Ich denke, das ist sicher richtig, trotzdem ist es nicht ganz nüchtern. Intuition und das feine Erfassen emotionaler Qualitäten wird dem Herzen zugeschrieben.

Du bist auch Psychotherapeutin. Wie verbindest du diese Disziplinen, wenn es um den Zugang zum Herzen geht?
In der Psychotherapie gehe ich mit dem, was von meinen KlientInnen kommt. Wenn sie einen Zugang zu spirituellen Themen haben und diese thematisieren, nehmen wir alles auf, was kommt.
Auch wenn nicht, so ist Empathie und Offenheit immer die wichtigste Grundhaltung, und ich bemühe mich darum. Das ist eine Qualität, die man als Herzqualität bezeichnen könnte. Es eröffnet einen Raum, in dem man Vertrauen fassen kann.
In der Yogatradition findet man solche emotionalen Qualitäten in den vier Bhavanas im Yogasutra ausgedrückt: Mitgefühl, Liebe, Mitfreude und distanziertes Verstehen.

Aus welcher Tradition kommst du und was spielt dort traditionell zu diesem Thema eine große Rolle?
Wahrscheinlich bin ich nicht so fix in einer Tradition, um mich voll und ganz nur nach dieser auszurichten Aber für mich gibt es zwei Quellen, aus denen ich nach wie vor schöpfe und lerne, nach denen ich mich orientiere und wo ich Lehrenden voll und ganz vertraue und das ist Sriram mit seiner sehr verfeinerten Praxis und das ist Bettina Bäumer und der nicht-dualistische Shivaismus von Kaschmir.
Sriram ist tief in Yogasutra und Samkhya verwurzelt. Da ist hṛdaya zwar ein wichtiges Meditationsthema, das zu Klarheit und subtilem Verstehen führt, für die Herzensbildung, wie du es nennst, sind aber vor allem die Bhavanas des Yogasutra, bzw. Brahma Viharas wichtig.
Im Shivaismus, vor allem für Abhinavagupta, ist hṛdaya ein zentrales Thema, es ist ein Symbol für das Bewusstsein selbst.

Sriram bei seinem letzten Besuch in Wien 2023
Bettina Bäumer (li) mit Dagmar Shorny

Du und Miriam, ihr habt jetzt 15 Jahre lang Menschen auf dem Weg zum/zur YogalehrerIn begleitet bzw. Menschen bei der Entwicklung einer Yogapersönlichkeit unterstützt. Herzensbildung von Yogalehrende, wie wichtig ist das?
Ja, so wie du es formulierst, höre ich Wörter wie – volles Engagement, von Herzen gerne unterrichten, geben, was man geben kann… das haben wir versucht. Und wir hoffen, dass wir das Feuer für diesen Weg mitgeben konnten. Und dass wir Türen öffnen konnten in die Tiefe dieser Traditionen des Yoga, die so unendlich reich sind.
Wir sehen es aber nicht so, so etwas wie Herzensbildung betrieben zu haben, wir verstehen es eher so, dass wir Zugänge aufzeigen und schaffen und dass wir da sind, um zu unterstützen und zu begleiten. Wir sehen aber sehr oft, wie Menschen durch diesen Prozess aufblühen und zu sich selbst finden.

Meditation im Herzraum: Ich habe in meiner Meditationsweiterbildung in Innsbruck gelernt, dass man im Herzraum besonders achtsam anleiten muss und dass es leichter ist, den Fokus auf den Bauch- oder Stirnraum zu halten. Wie siehst du das?
Ich denke, ja sowieso ist der Weg zur Meditation ein längerer. Und so wie wir in der Ausbildung üben, geht ihm Erfahrung mit dem Körper und dem Atem voraus. Das beinhaltet ein Vertrautwerden mit dem von innen gespürten Körper, den Körperräumen, Atemräumen. Wenn eine besondere Empfindlichkeit im Brust-Herzraum wahrgenommen wird, so ist es dann nicht mehr ganz unbekannt.
Für alle Praktiken des Yoga gilt ja immer, dass man sie lassen oder Alternativen finden kann, wenn man sich damit nicht wohl fühlt. Ich leite zB gern ein Ankommen in der Mitte als Meditationsort an. Dann lasse ich aber frei, wo man diese Mitte für sich spürt. Meistens wählen die Menschen Bauch oder Herz, wenige auch andere Orte im Körper. Ich denke, das ist ein guter Weg, dem eigenen Gespür zu folgen und ihm vertrauen zu lernen.
Manchmal ist der Herzraum ein Ort im Körper, wo emotionaler Druck oder Enge wahrgenommen wird. Aber wenn das Bild der Upaniṣaden, dass hier eine unverletzbare Instanz zu Hause ist, angesprochen wird, kann das enorme Kraft und Trost geben. Meine Erfahrung ist, dass das vielen Menschen schnell und unkompliziert einleuchtet.

 

 

 

 

 

 

 

50. Europäischen Yogakongress, Hridaya